Martin Auer: Der seltsame Krieg, Geschichten für die Friedenserziehung |
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Die verhexten InselnPlease share if you want to help to promote peace! |
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Vor einiger Zeit waren mehrere Menschen auf einem Dampfer in der Südsee unterwegs. Ich weiß nicht mehr genau, was passiert ist: Vielleicht ist der Kessel explodiert oder der Kapitän hat ein Riff übersehen - jedenfalls, was auch immer der Grund war, das Schiff ist gesunken. Alle diese Leute wurden schiffbrüchig. Und irgendwie landeten sie alle auf einsamen Inseln. Aber nicht alle auf derselben einsamen Insel. Jeder und jede einzelne strandete auf seiner oder ihrer eigenen einsamen Insel. Den Grund dafür weiß ich auch nicht, vielleicht hat sie ein Sturm so weit herumgewirbelt, als sie in ihren Schwimmwesten im Wasser trieben oder sich an einer Planke festhielten, die sich vom Schiff gelöst hatte. Wie gesagt, das passierte in der Südsee, wo das Wetter recht warm ist und die einsamen Inseln voller Kokospalmen und Obstbäume sind und das Meer rundherum von Fischen wimmelt, die man leicht mit einem umgebogenen Nagel an einem Stück Schnur fangen kann. Zum Glück hatten die Schiffbrüchigen alle einen Nagel und ein Stück Schnur in der Tasche, als das Schiff sank, so dass sie zu ihrer Brotfrucht Fisch essen und ihn mit Kokosmilch hinunterspülen konnten. Einer der Leute, die strandeten, war ein König. Als er an Land gespült wurde, schrie er gleich einmal: "Los, los, bringt mir ein paar flauschige Handtücher, trockene Kleider und heißen Tee!" Aber nichts passierte. Er schrie: "He, ich bin der König! Wo bleiben meine flauschigen Handtücher?" Aber - noch immer nichts. Nach einer Weile wurde ihm klar, dass niemand da war, der Handtücher bringen oder Tee kochen konnte, und wenn er etwas trinken wollte, gab es eben nur Kokosmilch. Er musste seine Kleider in der Sonne zum Trocknen ausbreiten, und wenn er Hunger hatte, musste er ein paar Früchte pflücken. Er schaffte es sogar, sich eine Art Hütte zu basteln und er erinnerte sich an den gebogenen Nagel in seiner Tasche und lernte zu fischen. Aber nach einer Weile wurde ihm langweilig und er begann mit sich selber zu reden: "Hallo, willkommen auf meiner einsamen Insel!" "Und wer bin ich, wenn ich fragen darf?" "Ich heiße König Alfred der XXII." "Ich freue mich, mich kennenzulernen! Und was ist mein Beruf, wenn ich so neugierig sein darf?" "Ich bin ein König!" "Oh, ein König, das muss ja toll sein!" "Oh ja, das ist es." "Und was genau macht ein König? Das wollte ich immer schon wissen." "Ach, so dies und das. Gesetze beschließen, Steuern erhöhen, Kriege anfangen, solche Sachen halt." "Das kling interessant. Darf ich zuschauen?" "Oh bitte, wenn Sie möchten!" "Also?" "Also was?" "Also, wann geht's los? Ich will sehen, wie man einen Krieg anfängt!" "Hmmm - " "Der König strengte sich an, einen Krieg anzufangen. Aber nichts passierte. Er versuchte, eine Steuer zu erhöhen. Aber es ging nicht. "Ich könnte wenigstens versuchen, ein Gesetz zu machen", sagte er zu sich selbst. "Also schön: Es ist verboten, Bananenschalen herumliegen zu lassen!" Aber dann fragte er sich: "Es ist doch niemand da, der das Gesetz befolgt? Ist es ein Gesetz, wenn es niemand befolgt? Nun ja, ich könnte es selber befolgen. Genau, ich beschließe, dieses Gesetz zu befolgen! Aber was ist, wenn ich beschließe, es nicht mehr zu befolgen? Kann mich jemand dazu zwingen? Ich könnte mich selber zwingen. Und was ist, wenn ich Widerstand leiste? Aber wer sagt, dass ich Widerstand leisten werde? Ich kann beschließen, keinen Widerstand zu leisten. Es hängt ganz allein von mir ab, ob ich Widerstand leiste oder nicht. Aber wenn es ganz allein von mir abhängt, ob ich Widerstand leiste oder gehorche - ist es dann ein richtiges Gesetz? Ich fürchte, es ist nicht wirklich ein wirkliches Gesetz. Ist das nicht seltsam: Ich kann eine Hütte machen, aber ich kann kein Gesetz machen? Was ist denn schon der Unterschied? Ein Gesetz machen sollte doch sogar leichter sein, als eine Hütte zu machen. Ich meine, man muss ja bloß die nötigen Worte sagen. Sollte man meinen. Aber wenn ich keinen Krieg anfangen kann, keine Steuern erhöhen kann und nicht einmal ein richtiges Gesetz machen kann - bin ich dann ein König? Mist, ich habe immer gedacht, ein König ist ein König und damit hat sich's. Aber anscheinend ist es doch nicht so." Unter den Gestrandeten war auch eine Schullehrerin. Nachdem sie ihre Kleider getrocknet und gesäubert und sich ein nettes Tässchen Kokosmilch gemacht hatte, baute sich sich gleich einmal ein hübsches Häuschen aus Palmblättern. Als sie damit fertig war und das Häuschen mit Matten eingerichtet hatte, die sie aus Kokospalmblättern gewebt hatte, baute sie gleich daneben ein Schulhaus. Sie machte es ein bisschen größer als ihr Häuschen und stattete es auch mit mehr Matten aus. Sie fand sogar einen großen, glatten Stein, den sie als Tafel benutzen, und einige weiche weiße Muschelschalen, mit denen sie darauf schreiben konnte wie mit Kreide. Als sie alles beisammen hatte, wartete sie, bis es, wie sie vermutete, Montag war, und dann ging sie in die Schule und begann zu unterrichten. Das heißt, sie versuchte es. Aber es funktionierte nicht. Irgendwie schaffte sie es nicht zu unterrichten. "Wie seltsam", dachte sie. "Ich bin eine Lehrerin und das ist meine Schule, aber ich kann nicht unterrichten! Anscheinend kann man nicht unterrichten, wenn niemand da ist, der lernt. Aber wenn ich nicht unterrichten kann - bin ich dann eine Lehrerin? Und wenn ich keine Lehrerin bin, ist das hier dann eine Schule? Ich habe immer gedacht, eine Lehrerin ist eine Lehrerin und eine Schule ist eine Schule und damit hat sich's. Aber anscheinend ist es doch nicht so." Eine der Schiffbrüchigen war eine Händlerin. Sie hatte sogar geschafft, ihr Geld und ein paar von Ihren Waren zu retten. Also baute sie sich ein Geschäft und versuchte ihre Waren zu verkaufen. Sie hatte Socken und Strümpfe und Unterhemden, Nähnadeln und Stecknadeln und Zwirn und Knöpfe. Das ordnete sie alles hübsch auf einigen Matten an, die sie gewebt hatte. Sie machte sogar Preisschilder aus kleinen flachen Steinen, auf die mit Muschelschalen die Zahlen schrieb. Aber sie konnte nicht ein Stück verkaufen. "Vielleicht sind meine Waren zu teuer", dachte sie. Also wischte sie jeden Tag die Zahlen auf den Preisschildern aus und ersetzte sie durch kleinere Zahlen. Aber es nützte nichts, sie konnte einfach nichts verkaufen. "Vielleicht sollte ich zuerst einmal Waren einkaufen", dachte sie. Sie versuchte, Kokosnüsse zu kaufen. Aber es ging nicht. Sie versuchte Bananen und Brotfrüchte zu kaufen. Aber ohne Erfolg. Alles, was sie sah, versuchte sie zu kaufen, sogar Palmen, Korallen oder Kieselsteine. Aber es war einfach unmöglich. "Vielleicht ist mein Geld vom Meerwasser verdorben worden?", dachte sie. Aber nein, es sah aus wie immer, sie hatte es ja in einer wasserdichten Plastiktasche aufbewahrt. "Wie seltsam", dachte sie. "Ich habe immer gemeint, ein Geschäft ist ein Geschäft und Geld ist Geld und Ware ist Ware. Aber wie es scheint, ist es nicht so. Diese Socken sind immer noch Socken, ich kann sie ja anziehen. Und dieses Garn ist immer noch Garn, ich kann die Socken damit stopfen. Aber die Socken sind keine Waren und das Garn ist auch keine Ware, denn ich kann sie nicht verkaufen. Diese Papierstücke haben sich überhaupt nicht verändert. Aber trotzdem sind sie kein Geld mehr. Denn ich kann nichts damit kaufen. Sogar der Laden ist kein Laden und die Preisschilder sind nur Kiesel mit Zahlen darauf. Und wie kann ich eine Händlerin sein, wenn es keinen Handel gibt?" Soll ich noch von den anderen Schiffbrüchigen erzählen? Der vierte war ein Polizist. Er versuchte, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Aber das klappte nicht. Er baute ein Gefängnis. Aber es wurde bloß eine Hütte. Er ging in seiner Uniform herum - sie war ein bisschen zerknittert, aber immer noch eine Uniform - er hatte sogar seinen Helm und seinen Knüppel mitgebracht. Aber er wusste, dass er kein Polizist war. Er versuchte sogar, sich selbst wegen Diebstahls zu verhaften, damit er sich selbst ins Gefängnis stecken konnte. Aber er schaffte es nicht, irgend etwas zu stehlen. "Es sollte doch ganz einfach sein, hier etwas zu stehlen", dachte er. "Es gibt keine Türschlösser, keine Zäune, keine Wachhunde. Niemand wird: 'Haltet den Dieb!' schreien." Aber so sehr er sich auch bemühte, er konnte nicht die kleinste Kleinigkeit stehlen. Tja, ich könnte noch von der Schauspielerin erzählen, von dem Fußballtrainer, dem Zeitungsreporter, dem Geschichtenerzähler... Aber um es kurz zu machen, will ich euch nur erzählen, dass sie alle gerettet wurden. Es dauerte eine Weile, denn die Inselgruppe, auf der sie gestrandet waren, war noch auf keiner Karte verzeichnet. Also durften sie sich sogar einen Namen für den Archipel ausdenken und sie nannten ihn die Verhexten Inseln. Und sie warnten jeden, diese Inseln zu besuchen, denn, so sagten sie, wenn man den Fuß auf eine dieser Inseln setzte, würde man nicht mehr sein, wer man war. Und was könnte schlimmer sein als nicht zu sein, wer man ist? Kommentar des AutorsDie Inhalte dieser Seiten sind durch registrierte Benutzer selbst veröffentlicht worden. Wenn Sie etwas bemerken, das nach Spam oder Missbrauch aussieht, kontaktieren Sie bitte den Autor. |