Martin Auer: Der seltsame Krieg, Geschichten für die Friedenserziehung |
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Im Krieg, sagt Großvater, da waren wir Männer, weißt du, Junge, richtige Männer. Im Krieg,
da muss man zusammenhalten, einer für alle, alle für einen. Im
Krieg, da hilft man den Kameraden, und die Kameraden helfen dir. Da
ist keiner allein, denn allein, da kann man es nicht überleben. Im
Krieg, sagt Großvater, da zeigt sich erst, wer du wirklich bist. Ob
du ein Feigling bist oder tapfer. Ob du echten Mumm in den Knochen
hast oder nur ein Angeber bist. Im Krieg, sagt Großvater, da kannst
du nicht lang überlegen. Im Krieg, da heißt es parieren. Wenn
befohlen wird, lauf! dann läufst du, und wenn befohlen wird, schieß!
dann schießt du. Im Krieg, da fragst du dich nicht, warum? Im Krieg,
da tust du, was getan werden muss. Im Krieg, da musst du dich nicht
entscheiden. Im Krieg, da sorgst du dich nicht um morgen. Im Krieg,
da ist immer nur jetzt. Im Krieg, sagt Großvater, da wirst du hart.
Da lernst du über Berge springen und durch Wüsten schwimmen, da
lernst du Dreckwasser saufen und deinen Hunger fressen. Da ziehst du
mit deinem Gewehr durchs Polareis und durchs Vulkanfeuer, da steigst
du über brennende Lava und tauchst unter Eisschollen durch und
alles, was dich kümmert, ist, dass dein Gewehr immer trocken bleibt. Im Krieg, da rettest du deinem Kameraden zehnmal am Tag das Leben,
und dein Kamerad sagt: "He, danke, Kumpel", und: "Ist schon in Ordnung",
sagst du, und da braucht’s keine großen Worte, da genügt ein
Händedruck und man versteht sich. Im Krieg, da gibt es wahre
Freundschaft. Im Krieg, da teilt man den letzten Bissen und den
letzten Schluck Wasser und die letzten paar Schuss Munition. Im
Krieg, sagt Großvater, wenn du da einmarschierst mit den anderen in
eine eroberte Stadt oder in ein Dorf, da rennen die Mädchen davon
und verstecken sich, und dann gucken sie hinter Fenstervorhängen
heraus mit ihren sehnsüchtigen Augen oder sie kommen schüchtern
hervor und bringen Obst oder Wein und lächeln verschämt und du
gibst ihnen von deiner Ration, du hast Schokolade aufgehoben für sie
und du fasst sie unters Kinn und schaust in ihre Augen und küsst
sie, und dann gehst du weiter, denn es gibt noch viele Mädchen in
den eroberten Städten und die Sehnsucht war groß all die Jahre. Und wenn du dann heimkommst als Sieger, sagt Großvater, dann stehen da wieder die Frauen und Mädchen und warten mit Blumen auf dich und Kuchen, die sie gebacken haben und halten Plakate hoch, auf denen WILLKOMMEN steht und DAS VATERLAND DANKT EUCH und solche Sachen, und dann spielt die Musik und dann gibt es Reden vom Bürgermeister und Medaillen und Orden und Freudentränen. Im Krieg, sagt Großvater, da bestraft man dich nicht für das Schreckliche, das du getan hast. Nur die Träume, sagt Großvater, die kommen immer und immer wieder, und dann schreist du auf in der Nacht. Im Krieg, sagt Großvater, da stirbt man. Aber die, die gestorben sind, die erzählen nichts. Kommentar des AutorsDie Inhalte dieser Seiten sind durch registrierte Benutzer selbst veröffentlicht worden. Wenn Sie etwas bemerken, das nach Spam oder Missbrauch aussieht, kontaktieren Sie bitte den Autor. |