Martin Auer: Der seltsame Krieg, Geschichten für die Friedenserziehung

   
 

Geschichte von einem guten König

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Der seltsame Krieg
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Gerechtigkeit
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Im Krieg
Geschichte von einem guten König
Bericht an den Rat der Vereinten Sonnensysteme
Offene Worte von einem Europäer
Die Bombe
Vorwort
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Es lebte einst ein guter König, der sein Land weise regierte. Die Steuern, die seine Untertanen zahlten, gebrauchte er, um Schulen und Universitäten bauen zu lassen, so dass die jungen Menschen alle Berufe lernen und alle Wissenschaften studieren und so einander besser dienen konnten. Er ließ auch Krankenhäuser bauen und Ärzte ausbilden, damit seine Untertanen nicht mehr als nötig an Krankheiten leiden mussten. Er ließ Straßen und Eisenbahnen bauen, damit die Güter, die in einem Teil des Landes erzeugt wurden, rasch in alle anderen Landesteile gebracht werden konnten, wo man sie brauchte. Er ermahnte seine Richter, gerecht zu urteilen und er erlaubte seinen Beamten nicht, Bestechungsgelder anzunehmen.

Der König wollte auch, dass seine Untertanen in Frieden leben sollten. Er wies die Lehrer und Lehrerinnen in den Schulen an, die Kinder zu lehren tolerant zu sein und andere Menschen nicht wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Religion oder ihrer Kultur zu verachten. Die Kinder sollten auch lernen, dass sie nicht miteinander raufen sollten, wenn sie eine Meinungsverschiedenheit hatten, sondern sich aussprechen und ihren Streit freundschaftlich beilegen sollten. Jedes Jahr wurde in der Hauptstadt ein großes Friedensfestival abgehalten, mit Musik und Volkstänzen und jungen Menschen aus der ganzen Welt, die dazu eingeladen wurden.

Der König war ein netter junger Mann, still, bescheiden und sanft. Er konnte wirklich keiner Fliege etwas zuleide tun. Er trug keine extravaganten Kleider, er aß keine teuren exotischen Speisen, trank keine kostbaren Weine. Er gab auch das Geld der Steuerzahler nicht für pompöse Paläste oder edle Pferde oder schnelle Autos aus. Er liebte seine junge Frau und saß am Abend bei seinen zwei Kindern im Kinderzimmer und las ihnen Gute-Nacht-Geschichten vor. Doch was er am liebsten tat war, in seinem Studierzimmer zu sitzen, umgeben von seinen Büchern und den Berichten aus allen Landesteilen, und neue Pläne auszuarbeiten, wie das Leben seiner Untertanen noch verbessert werden könnte.

Der König war nicht eingebildet, aber er war ein klarer Denker. Und wenn er sich die Berichte ansah, die er aus allen Teilen des Landes bekam, dann musste er zu dem Schluss kommen, dass er vermutlich der beste König war, den sich das Land nur wünschen konnte. Er kam weiter zu dem Schluss, dass niemand im Land Grund hatte, sich einen anderen König zu wünschen, außer er hätte schlechte Absichten, und dass jeder, der vielleicht an seiner Stelle König sein wollte, nur die Absicht haben konnte, die königliche Macht für selbstsüchtige Zwecke zu nutzen.

Er sagte zu seinem Polizeichef: „Wenn irgendjemand den Wunsch haben sollte, statt mir König zu sein, dann kann es nur sein, um die königliche Macht zu missbrauchen. Vielleicht um edle Pferde zu kaufen oder pompöse Paläste bauen zu lassen oder das Geld der Steuerzahler für extravagante Kleider und Juwelen auszugeben oder für edle Pferde und schnelle Autos. Also halten Sie bitte die Augen nach solchen Leuten offen und verhindern Sie, dass sie unserem Königreich schaden.“

Der Polizeichef war ein alter Freund des Königs. Sie hatten beide die selben Schulen besucht und an den selben Universitäten studiert. Der Polizeichef war ebenfalls ein netter junger Mann mit vielen guten Eigenschaften. Er hasste niemanden und verachtete niemanden, weil er oder sie sich anders anzog oder eine andere Sprache sprach oder an eine andere Religion glaubte. Aber seine hervorragendste Eigenschaft war, dass er seinem König absolut treu und ergeben war. Er sagte seinen Polizisten: „Wir haben einen sehr klugen und fürsorglichen König, der uns weise regiert. Er kümmert sich um unsere Schulen und Universitäten, sorgt sich um unsere Spitäler, organisiert den Bau von Straßen und Eisenbahnen, achtet darauf, dass die Post schnell zugestellt wird, eröffnet Schwimmbäder und Spielplätze und wacht über unsere Gerichte. All das ist sehr wichtig für unser Land. Doch das Wichtigste für das Wohl unseres Landes und das Wohlergehen seiner Untertanen ist: dass unser König König bleibt. Also halten Sie die Augen offen nach Leuten, die sich einen anderen König wünschen oder vielleicht sogar selber König werden wollen. Solche Personen sind Feinde des Volkes und müssen sofort unschädlich gemacht werden!“

Die Polizisten waren ebenfalls nette Menschen, die viele gute Eigenschaften hatten. Sie liebten ihre Familien und hassten niemanden. Aber ihre hervorragendste Eigenschaft war, dass sie ihren Vorgesetzten absolut gehorsam waren. So hielten sie Ausschau nach Leuten, die vielleicht Feinde des Königs und somit Feinde des Volkes waren. Wenn sie von jemandem hörten, der sagte: „Das neue Spital ist eine wirklich gute Sache, aber es sollte doch eine größere Kinderklinik haben“, oder wenn ihnen jemand gemeldet wurde der meinte: „Warum lernt man in unseren Schulen so viel über die Geschichte unseres Königshauses und so wenig über andere Länder?“, dann verdächtigten sie ihn, dass er den König heruntermachen wollte und verhafteten ihn.

Nach einiger Zeit begannen sich einige Leute ernsthaft zu beklagen und sagten, die Polizei sollte doch nicht Leute verhaften, bloß weil sie eine andere Meinung über Schulen oder Spitäler hatten. Natürlich wurde mit solchen Personen noch strenger verfahren. Sie wurden in die tiefsten Kerker gesperrt und ihre Gerichtsverhandlungen wurden nicht öffentlich abgehalten. Die gewöhnlichen Leute sollten nicht erfahren, dass so viele Menschen das Verhalten der Polizei kritisierten. Und wenn jemand versuchte, sich gegen die Verhaftung zu wehren, dann blieb den Polizisten nichts übrig als Gewalt anzuwenden, auch wenn ihnen das gar nicht recht war.

Die Freunde und Verwandten der Menschen, die verschwunden waren, hörten nicht auf Fragen zu stellen, und so erließ der König ein Gesetz, nach dem es verboten war, die Handlungen der Polizei zu kritisieren. Den Zeitungen war es nicht gestattet über die Verhaftungen zu schreiben oder über die Leute, die verschwunden waren. Unter der Bevölkerung waren die Meinungen gespalten. Einige meinten, die Polizei hätte schon recht, streng über die Sicherheit des Königs zu wachen, denn schließlich war er ein wirklich guter König und regierte das Land weise. Aber andere sagten, dass es unfair war Menschen zu verhaften und in die tiefsten Kerker zu werfen, ohne ihnen auch nur ein öffentliches Gerichtsverfahren zu gewähren. Sie beklagten sich auch, dass der König inzwischen mehr Geld für die Polizei ausgab als für Schulen oder Spitäler oder Straßen. Und jetzt begannen einige Leute ernsthaft der Meinung zu sein, dass der König durch jemand anderen ersetzt werden sollte. Als einige dieser Leute verhaftet wurden, dachte der Polizeichef, dass sie zu gefährlich waren, um am Leben gelassen zu werden, selbst in den tiefsten Kerkern. Seine Treue zum König verlangte, dass er diese Rädelsführer töten ließ, obwohl er eine große Abneigung gegen Blutvergießen hatte. Er tat es auch nicht selbst, sondern befahl seinen treuesten Polizisten, es zu tun. Diese Polizisten, die es gewohnt waren, Befehlen zu gehorchen, stellten seine Entscheidung nicht in Frage. Sie taten einfach ihre Pflicht.

Es ist leicht zu erraten, was als nächstes passierte. Der Polizeichef fürchtete, dass die Leute, die sich gegen den König stellten, sich in den Nachbarländern versammeln, eine Armee aufstellen und zurückkommen würden, um das Land zu erobern und den König abzusetzen. Also wurden noch mehr Steuergelder dazu verwendet, die Armee zu verstärken und Waffen zu kaufen und Geheimagenten anzustellen, die die Nachbarländer ausspionierten.

Und natürlich begann man sich in den Nachbarländern zu fürchten und bereitete sich darauf vor, sich zu verteidigen. Und eines Tages blieb dem netten jungen König nichts übrig als seinen Nachbarn den Krieg zu erklären, und dem treuen Polizeichef blieb nicht übrig als die Armee in die Schlacht zu führen, und all den jungen Männern, die erzogen worden waren, anderen gegenüber tolerant und respektvoll zu sein, blieb nichts übrig als ihre Gewehre zu nehmen und über die Grenze zu marschieren und auf die jungen Männer der anderen Seite zu schießen, bevor die anderen auf sie schossen.


Kommentar des Autors


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